Über 25 Jahre hat sich Nils Bäumer mit Kreativität auseinandergesetzt, als Transformationsberater verfolgte er die Entwicklungen in diesem Bereich. Obwohl die ersten 22 Jahre wenig Neues boten, änderte das Auftauchen der generativen KI alles für ihn. Jetzt ist die Zeit des Wandels gekommen.
Mein Ziel heute ist es herauszufinden, wie Nils die Transformation unserer Kreativbranchen und der Gesellschaft die Möglichkeiten des Einsatz frei verfügbarer KI in Zukunft sieht.
Kreativität mit generativer KI – Mythos oder Realität?
Nils ist wichtig in unserem Gespräch klarzustellen, dass er keiner der neuen KI-Experten ist. Er sagt ganz klar, dass er neugierig die Möglichkeiten nutzt und testet – aber die Technik dahinter nicht gut genug versteht – und das auch gar nicht sein Ziel ist. Bei generativer KI geht es, wie der Name schon sagt, um eine künstliche Intelligenz, die nicht bloß große Datenmengen analysiert, sondern etwas Neues erschafft. Stellt man ihr an zwei unterschiedlichen Tagen die gleiche Frage, wird sie verschiedene Antworten dazu geben. Genau hier setzt bei Nils die Neugier ein. Denn als Kreativitäts-Experte stellt sich hier für ihn die Frage: Wenn etwas Neues entsteht – steckt da dann auch automatisch Kreativität mit drinnen?
Wie KI die Landschaft der Kreativbranche verändert
Mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz war ursprünglich die allgemeine Erwartung, dass zwar langweilige und monotone Jobs sicherlich schnell von ihr ersetzt werden würden. Schade um die Arbeitsplätze – aber so wirklich gerne hat die eh keiner gemacht. Die Kreativbranche wähnte sich dabei jedoch in Sicherheit. Denn – so zumindest die naive Annahme bis zum Aufkommen von ChatGPT – Daten auswerten oder roboterarme in einer Fabrik steuern ist eine Sache, aber echte Kreativität kann nicht künstlich erzeugt werden. Dachten wir zumindest damals.
Sind kreative Jobs durch KI gefährdet?
Jetzt sieht die Sache schon ganz anders aus. Plötzlich stehen all die kreativen Jobs nicht mehr ganz hinten auf der Liste der aussterbenden Berufe durch KI, sondern sind stattdessen sogar ganz vorne dabei. Fragt sich aktuell allerdings noch, ob das, was die KI da produziert denn auch wirklich kreativ ist, oder vielleicht auch nur eine Illusion von Kreativität.
Vor- und Nachteile der KI im Überblick
Die Amerikaner sehen in der breitflächigen Nutzung generativer KI eine „Demokratisierung der Kreativität“. Aus ihrer Sicht heraus können Menschen mit dieser Unterstützung Teile ihrer Kreativität leichter ausleben als bisher. Für Nils persönlich bedeutet das zum Beispiel, dass er – nachdem die Anwendungen in Photoshop für seine Zwecke zu komplex waren, er nun mit den KI-gestützten Angeboten von Adobe Firefly, DALL·E oder Midjourney seine Leidenschaft zum Erstellen von Bildern ausleben kann. Natürlich gibt es auch hier Profis und kreative Künstler*innen, die noch zu qualitativ ganz anderen Ergebnissen fähig sind. Für den Hausgebrauch von Nils reicht es jedoch völlig aus, um Spaß zu haben und seine Präsentationen selbständig mit individuellem Bildmaterial auszustatten.
KI und Kreativität: Eine Bilanz
Während die KI also den einen Teil der Menschen anspornt, ihre Kreativität auf neue Arten auszuleben und weiter auszubauen, bietet sie gleichzeitig auch eine Gefahr. Wie bei vielen Tools sind wir ihr dankbar, dass sie uns Arbeit abnimmt. Wer zum Beispiel im Schreibprozess Angst vor dem weißen Blatt hat, nutzt vielleicht gerne die KI, um sich Starthilfe zu holen.
Die Schattenseiten der einfachen KI-Anwendung
Laut Nils kann dieser Reflex, wenn er zur Gewohnheit wird, riskant sein. Die KI greift trotz riesiger Datenmengen am Ende immer auf einen begrenzten Ideenpool zurück. So wird der kreative Prozess schon am Anfang in eine vorgegebene Richtung geleitet. Das führt dazu, dass die Variabilität der eigenen Kreativität von vornherein eingeschränkt ist. Doch genau dieses selbstwirksame Überwinden eines anfänglichen Punk des Zögerns, der Ideenlosigkeit oder auch der Angst vor dem eigentlichen Anfangen ist ein wichtiger Faktor für den kreativen Kick!
In seinem aktuellen Buch „Jenseits des Algorithmus – Kreativität in der Ära von KI“ befragt Niels 11 Expert*innen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, wie Kreativität aus ihrer Perspektive heraus in Zukunft von KI beeinflusst werden wird. Die Themenbereiche reichen dabei von Expert*innen aus den Bereichen Marketing, Metaverse, Gehirnforschung, Intelligenzforschung aber auch ich als Experte zum Thema Humor komme zu Wort.
Kreativität – Ein Muskel, den es zu stärken gilt
Nils ist davon überzeugt: Alle Menschen sind kreativ. Jedoch könnte diese angeborene Fähigkeit in Zukunft durch die bequeme Nutzung von generativer KI für kreative Aufgaben tatsächlich weiter verkümmern, weil sie nicht herausgefordert und genutzt wird. Ein ähnliches Phänomen können die meisten von uns vermutlich schon jetzt bemerken. Wenn wir uns beispielsweise vorstellen, wir müssten uns ohne Navi in einer fremden Stadt zurechtfinden – oder sogar nur in der eigenen Heimatstadt ans andere Ende fahren ohne eine digitale Stimme, die uns blind vertrauend den Weg vorgibt.
Wenn du auch noch wissen willst, wie die Gehirne von Londoner Taxifahrer*innen vor dem Einsatz von Navis aussahen, welche Qualitäten das Selberschreiben von Texten noch mit sich bringen und wie Beer-Storming als Alternative zum Brainstorming funktioniert, schau dir gerne das ganze Interview im Video an!
Bis dahin –
bleib flexibel (und kreativ!)
Dein Ralf Schmitt, Vaya Wieser Weber, Mirja Dajani
und das Team der Impulspiloten